Skip to main content

10.05.2023 | Geburtshilfe | Online-Artikel

Kontrollierte Interventionsstudie

Kurze Psychotherapie lindert Schwangerschaftsdepression

verfasst von: Thomas Müller

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Acht Sitzungen mit Interpersoneller Psychotherapie können Depressionen bei Schwangeren weit stärker lindern als eine allgemeine Beratung mit Unterstützungsangeboten. Dafür sprechen die Ergebnisse einer kontrollierten Vergleichsstudie.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Schwere Depressionen in der Schwangerschaft sind nicht nur für werdende Mütter ein Problem, sondern auch für den Nachwuchs: Das Risiko für Frühgeburten und Entwicklungsverzögerungen ist deutlich erhöht. Eine kurze Interpersonelle Psychotherapie (IPT) kann Schwangeren wieder neuen Mut geben und solche Depressionen deutlich lindern, und zwar signifikant stärker als ein Unterstützungsangebot ohne Therapeuten. Zu diesem Schluss kommen Psychologinnen und Psychologen um Dr. Benjamin Hankin von der University of Illinois in Urbana-Champaign, USA, nachdem sie die IPT in einer randomisiert-kontrollierten Studie geprüft haben.

Teilnehmen konnten Frauen, die sich an zwei Geburtskliniken in der Region Denver angemeldet hatten und dort während der Schwangerschaft untersucht worden waren. Ergab ein Standardfragebogen Hinweise auf eine Depression, war die 25. Schwangerschaftswoche noch nicht überschritten und litten die Frauen nicht an anderen psychischen Erkrankungen, dann wurden sie zur Teilnahme an der Studie eingeladen. 234 Frauen erfüllten die Kriterien und nahmen an der Untersuchung teil. Im Schnitt waren die Schwangeren 30 Jahre alt, rund die Hälfte war über das Fürsorgeprogramm Medicaid versichert, etwa 45% hatten einen College- oder Uniabschluss.

115 der Frauen wurden nach dem Zufallsprinzip der Gruppe mit IPT zugewiesen, die übrigen 116 der Kontrollgruppe. In beiden Gruppen hatten 37% eine Major-Depression, auch Alter und Sozialstruktur waren vergleichbar.

Nur noch wenige schwer depressiv am Ende der Schwangerschaft

Die Kurzzeit-IPT bestand aus acht 50-minütigen Einzelsitzungen im Abstand von etwa einer Woche, gefolgt von einer optionalen Erhaltungsbehandlung mit unregelmäßigen Sitzungen. Die Therapie konzentrierte sich auf Psychoedukation und den Aufbau zwischenmenschlicher Fähigkeiten. Die Frauen wurden über den Zusammenhang zwischen Gefühlen und zwischenmenschlichen Interaktionen aufgeklärt, zudem lernten sie Strategien zur Lösung von Konflikten, die Depressionen begünstigen. Informiert wurden die Schwangeren zudem über Unterstützungsangebote in ihrer Gemeinde, bei Bedarf erhielten sie auch Antidepressiva.

In der Kontrollgruppe bekamen die Schwangeren ebenfalls Informationen über lokale Unterstützungsangebote, zusätzlich konnten sie sich bei Bedarf eine Stunde lang mit einer Psychiaterin oder einem Psychiater unterhalten, die oder der ihnen auch Broschüren und Infomaterial über psychische Gesundheit in der Schwangerschaft anbot. Etwa die Hälfte in der Kontrollgruppe nutzte dieses Angebot.

Zu Beginn erreichten die Frauen einen Wert von 27 Punkten auf der 80-Punkte-Depressionsskala „Symptom-Checklist“ (SCL-20). Mit der IPT war dieser Wert nach acht Wochen um 4 und nach einem halben Jahr um 13 Punkte gesunken, in der Kontrollgruppe hingegen jeweils nur um 1,5 und 3,5 Punkte; die Differenzen waren statistisch signifikant. Auch mit der „Edinburgh Postnatal Depression Scale“ (EPDS) zeigte sich über ein halbes Jahr hinweg ein deutlich stärkerer Rückgang der Depressionssymptome in der IPT-Gruppe, die Unterschiede waren hier aber nicht ganz so groß. Die Effektstärken (Cohen’s d) waren mit 0,57 (SCL-20 ) und 0,40 (EPDS) moderat. Zum Ende der Schwangerschaft hatten noch etwa 6% in der IPT-Gruppe und 26% in der Kontrollgruppe eine Major-Depression. Für das Team um Hankin liefert die Studie einen Beleg, dass die IPT pränatale Depressionen von Schwangeren wirksam lindert.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie hilfreich ist eine Kurzzeitbehandlung mit Interpersoneller Psychotherapie (IPT) für Schwangere mit Depressionen?

Antwort: Nach einer Behandlung mit acht IPT-Sitzung gingen die Depressionen in einer randomisiert-kontrollierten Studie stärker zurück als mit alleiniger Psychoedukation, Beratung und sozialer Unterstützung.

Bedeutung: Die IPT kann pränatale Depressionen von Schwangeren wirksam lindern.

Einschränkung: Möglicher Noceboeffekt bei Frauen in der Kontrollgruppe.


Empfehlung der Redaktion

Psychische Erkrankungen

Die Veränderungen in Schwangerschaft und Wochenbett verlangen Müttern und ihren Familien viel ab. Doch wann werden Stimmungsschwankungen oder Erschöpfung zu einer handfesten psychischen Erkrankung? Mit dem Wissen um Warnsignale und Therapieoptionen haben Hebammen die Möglichkeit, Symptome frühzeitig zu erkennen und betroffene Frauen zu unterstützen.

Alles rund um Erfassung, Diagnostik und Therapie von Depressionen, Ängsten und Traumata im Zusammenhang mit der Schwangerschaft lesen Sie in Ausgabe 1/2021 von HebammenWissen mit dem Schwerpunkt „Psychische Erkrankungen“.

print
DRUCKEN
Literatur

Literatur

Hankin BL et al. Effect of Brief Interpersonal Therapy on Depression During Pregnancy. A Randomized Clinical Trial. Lancet Psychiatry 2023; https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2023.0702

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Antivirale Therapien in der Frühphase einer SARS-CoV-2-Infektion erfolgreich

Die Therapieempfehlungen machen deutlich, dass das Abwenden eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Infektion bereits in der Frühphase der Erkrankung stattfinden sollte [1].

Immunisierung in der Langzeitpflege

Zum Schutz von Bewohnerinnen und Bewohnern in Langezeitpflegeeichrichtungen spielt die Immunisierung gegen COVID-19 eine wichtige Rolle. Daten zur Effektivität und Schutzdauer von COVID-19-Impfstoffen zeigen, dass Impfungen in allen Altersgruppen gut vor schweren COVID-19-Verläufen schützen [1].

ANZEIGE

COVID-19 in der Langzeitpflege

Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie als Pflegekraft den Herausforderungen im Arbeitsalltag hinsichtlich Covid-19 begegnen können. Das Angebot bietet praktische Tipps, Hintergrundinformationen und aktuelle Informationen zum Thema.